„… sagen Sie mal … hat Ihre Tochter auch schon Weihnachtsplätzchen gebacken?“ – Kapitel 2


Ich schiebe kopfschüttelnd weitere Röllchen in die Laufschiene und zucke zusammen, als mich meine Frau diskret von unten an dem mit bestimmt großen Wasserflecken durchfeuchteten Hosenbein zupfte und leise anspricht. „Du musst das Kind nicht verschiffschaukeln.
Sie meint es ernst mit ihren Fragen.
Heute in der Schule hatten die Kinder Plätzchen backen sollen und da hat irgendetwas mit der Unterrichtsvertretung wieder einmal nicht so geklappt, wie es sein sollte…“

Die Stimme meiner Frau hat einen vorwurfsvollen Klang. „Was soll übrigens der Blödsinn mit dem Ausrechnen des Eigewichtes eines Ei´s auf deinem Taschenrechner?
Sag` mal…“, meine Frau schaut mich und die noch immer nicht fertig aufgehängte Gardine ziemlich prüfend an, „… es dauert aber heute ziemlich lange bei dir, bis du diese Gardine aufgehängt hast.
Die zweite fürs Wohnzimmer ist bald schon trocken.
Beeile dich bitte… ja?“

Mit zusammengebissenen Zähnen schiebe ich solchermaßen animiert die restlichen Röllchen in die Laufschiene, klemme anschließend die Festhalter ein, zupfte hier und da die Gardine in ihre richtige Lage und steige von der Leiter herab.

Aus der Küche hörte ich das Geklapper diverser Küchengeräte und irgendeine fetzige Musik mittlerer Lautstärke aus der aktuelle Hitparade.

Ich schnappe mir die Leiter, marschiere geschultert mit ihr zum Wohnzimmer und als ich an der Küchentür vorbei komme, da kann ich kurz in die Küche schauen.

Meine Tochter sitzt bei voller Beleuchtung, wie unter Tiefstrahlern, am Küchentisch zwischen Töpfen, Mehl- und sonstigen diversen offenen Tüten, zwischen Küchenwaage, Backblechen und Handmixer, zwischen Flaschen, Gewürzen, der Teigschüssel und Fetten, schreibt gerade, blätterte ab und zu in meinem Tabellenbuch und tippte flink auf meinen nagelneuen wissenschaftlichen Taschenrechner herum.

Ich will gerade zu einem wissenschaftlichentaschenrechner- und tabellenbuchbesitzergerechtem Einspruch ansetzen, als mich meine Frau aus dem Korridor sacht, aber bestimmt, ins Wohnzimmer schubst. „Die Wohnzimmergardine… beeile dich bitte.

Wenn sie trocken ist, wirft sie Falten …“, und, als ich rückwärtig auf die Küche deutete, vorwärts zum Fenster stolperte und zu einer Erwiderung ansetzen will, spricht sie weiter, „… und lass das Kind in Ruhe.
Und halt dich jetzt aus der Küche heraus.
Es ist Vorweihnachtszeit und alle Mädchen backen dann gerne Plätzchen.“

Bei dieser mütterlichen Argumentation kann ich nur noch an meine selbstgewählte Aufgabe des alljährlichen freiwilligen vorweihnachtlichen Gardinenaufhängens denken und mit einem ungutem Gefühl mache ich mich an die Arbeit – meine fünfzehnundfastzweidritteljährige Tochter backt das erste Mal in ihrem und unserem Leben Plätzchen!

Ich weiß nicht mehr, woran es liegt… die Wohnzimmergardine mit ihren ca. 26 qm wird, wie meine Arme, immer schwerer und schwerer und die vertrackten Röllchen immer und immer widerspenstiger.

Als ich dann fertig, von der Leiter müde, abgeschlafft und hungrig heruntersteige, und nur wegen meines verdienten und ausgerechnet in diesem Moment gerade beginnenden Kaffeedurstes in die Küche gehen will, stoppt mich meine plötzlich vor mir erscheinende liebreizende Gattin, gibt mir einen flüchtigen Kuss und spricht mich mit einem energischen, aber bestimmt-lieben Ton an. „Bleib am Besten heute ganz von der Küche weg… bitte…ja?

Und deinen Kaffee bringe ich dir gleich.
Stell bitte die Leiter weg und setz dich ins Wohnzimmer.
Ich komme dann mit dem Kaffee…“

Ich werfe einen verlangenden Blick zur geschlossenen Küchentür, sehe gerade noch den prüfenden Blick meiner Frau, hörte aus der Küche diverse undefinierbare Geräusche mit inzwischen megaphonverstärkter popmusikalischer Untermalung… und mache mich schweren Herzens auf den Weg, die Leiter zu verstauen.

Im Wohnzimmer ist inzwischen ein kleines Set für mich auf dem Tisch aufgelegt und darauf steht mein Nachmittagskaffeetrinken.

Als ich angenehm überrascht feststelle, dass die Milch zum Kaffee fehlte, gehe ich eilends durch den dunklen Korridor zur Küche.

Aber, bevor ich die Klinke ergreifen kann, öffnete sich die Tür einen Spalt breit, ein Arm kommt, im Einfall von jede Menge Musik, Gerüchen und Licht in den dunklen Korridor durch den schmalen Türspalt heraus und nur an der Form der Hand und des teigbefleckten Eherings erkenne ich meine Frau, die mir das fehlende Milchkännchen reicht und durch den mit ihrem Körper abgedeckten Türspalt zuflüstert. „Bleib von der Küche weg… bitte!“.

Ich trottet ins Wohnzimmer zurück und lasse mir meinen Nachmittagskaffee schmecken… ein Ohr ist dabei zufällig zur Küche gerichtet, aus der ich Lachen, Musik, Küchenmaschinengesumme, Klappern von Küchengerätschaften und sonstige undefinierbare Geräusche höre und leichte eigenartig-vertraute Geruchswellen aufnahm, die in leichten Schwaden durch die Wohnung ziehen.

Als ich meinen Kaffee ausgetrunken habe, und das so stumm vor sich herumstehende benutzte Geschirr auf dem Tisch sehe, da überkommt mich die doch echt hausfrauenfreundliche und familiengerechte Eingebung, als ordentlicher Mensch und vorbildlicher Familienvater obendrein mein Geschirr höchst eigenhändig zur Küche zu bringen.

Ich stelle das Geschirr auf das Set und trage alles zur Küche… habe ich jedenfalls vor.

Wieder werde ich an der spaltbreit geöffneten Küchentür abgefangen, meine Frau verdeckt wieder geschickt meinen zufällig verlangenden Blick in die Küche und nimmt mir lächelnd das solchermaßen gestapelte Geschirr ab. „Lieb von dir.
Bleib´ aber von der Küche weg.
Du hast es mir versprochen… o.k.?“

Ich seufze und nicke gottergeben meiner Frau zu, drehe mich zum Wohnzimmer herum, will gerade demonstrativ wie ein geprügelter Hund von dannen ziehen, als ich die Stimme meiner Tochter aus der Küche vernehme. „Mammaa… gib Pap`s doch ein kleines Stückchen zum Probieren…“