Flucht vor dem Streit: Wie Manipulation unser Familienleben prägte (4)


Als ich in der 5. oder 6. Klasse war, hielt ich diese ständigen Streitereien zwischen meinen Eltern nicht mehr aus. Ich haute von daheim ab und flüchtete zu einer gleichaltrigen Freundin. Natürlich informieren deren Eltern meine und ich landete wieder daheim. Zuhause gab es eine Menge Ärger von meiner Mutter („was die Leute wohl über uns denken … wie kannst du mir so etwas antun …“) und ich durfte diese Freundin dann nicht mehr besuchen. Mein Vater war einfach nur froh, dass ich wieder da war.

Als ich ca. 9 Jahre alt war, fuhr meine Mutter zur Kur. Tagsüber, vor und nach der Schule, betreute mich eine ältere Nachbarin, danach war ich mit meinem Vater alleine. Und ich erinnere mich noch gut daran, dass dies eine äußerst angenehme Zeit war. Keine Streitereien, mein Vater war mir stets ein guter Vater, lustig, freundlich, kooperativ, zuverlässig. Und er war gelassener, wenn sie nicht da war.

Es folgten immer mal wieder Krankenhausaufenthalte meiner Mutter, ich blieb mal bei der Nachbarin, mal bei einer Bekannten der Familie oder bei Tante und Onkel. Zu diesem Zeitpunkt hatten wir noch zahlreiche Verwandte und Bekannte. Ich fand die Zeit ohne sie wirklich angenehm.
  

Irgendwann fing sie an, sich einfach ins Bett zu legen, wenn ihr etwas nicht passte und sie Streit mit meinem Vater anfing. Z.B. wenn sie verärgert wegen eines Arztbesuches nach Hause kam und mein Vater, der sich dafür extra frei genommen hatte, um sie zu fahren, den ganzen Segen von ihr ab bekam. Meist fingen diese Streitereien dann so an, dass dieser Arzt überhaupt keine Ahnung und sie nicht verstanden hätte.

Gut, das kann vielleicht mal bei einem Arzt passieren. Evtl. wenn es blöd läuft auch noch bei einem weiteren. Aber bei ihr häufte es sich. Sie bekam deswegen immer öfter Streit mit meinem Vater, behauptete, alle würden sich gegen sie stellen und dackelte dann beleidigt ins Bett ab. Mein Vater ging dann immer zu ihr, stand wie ein begossener Pudel vor dem Bett und verstand die Welt nicht mehr. Er entschuldigte sich, obwohl er nicht derjenige war, der sich hätte entschuldigen müssen. Mir tat er furchtbar leid in diesen Situationen, den er konnte ja nichts dafür.
  
Solche Situationen hatten wir dann immer öfter. Mehrfach zu Silvester, ich erinnere mich noch gut, wie mein Vater und ich an mehreren Silvesterabenden bei ihr am Bett standen und erst er, dann ich sie mehrfach darum baten, doch wieder aufzustehen und mit uns Silvester zu feiern. Aber sie blieb stets hart und stand nicht auf. Sie hat uns damit viele Momente, die schön sein hätten können, kaputt gemacht. Am nächsten Morgen tat sie, als wenn nichts gewesen wäre. Mein Vater und ich mussten uns dann sehr vorsichtig verhalten, damit die Situation nicht wieder kippte.
  

Selbst im Urlaub: Wie sie keine Freude zuließ (5) »