Jeden Morgen Theater: Wenn Hilfe zur Bühne wird (11)


Nach ihren OPs musste ihr Heparin gespritzt werden. Sie weigerte sich, das bei sich selbst zu machen und weigerte sich auch, das gezeigt zu bekommen, bestand aber darauf, dass ich das übernehme. Ich konnte machen, was ich wollte – es war ihr nicht gut genug. Denn eigentlich ging es ihr dabei um etwas ganz anderes. Sie wollte Aufmerksamkeit, meine Zeit und mich beeinflussen. Und genau so war es dann auch, Morgen für Morgen.

Jeden Morgen ging ich also zu ihr, spritze ihr das Heparin, zog ihr auch noch die Kompressionsstrümpfe an – und wollte eigentlich wieder gehen. Jeden Morgen machte sie mehr und mehr Theater, fing an zu erzählen, wie ungerecht mein Vater sie behandeln würde.
  
Meine morgendlichen Aufenthalte verlängerten sich ungewollt. An einem Morgen wurde dann aus „nur eben Heparin spritzen und dann muss ich aber auch wieder gehen“ ein 3/4-stündiger Aufenthalt. Mit dickem Streit am Ende, mal wieder. Bei dem sie dann heulend und sich selbst bemitleidend im Wohnzimmer saß. Eine Riesen-Szene machte, am frühen Morgen. Ich meinen Vater dazu holen musste, der gerade mit Musik in der Küche den Frühstückstisch wie jeden Morgen deckte und von all dem nichts mitbekommen hatte. Die gute Laune war danach natürlich bei jedem verflogen, mein Vater stand völlig verdattert im Wohnzimmer und verstand die Welt nicht mehr.

Was genau ihr Problem war, konnte sie uns aber nicht mitteilen. Ich gehe mal davon aus, dass ihr unsere morgendliche gute Laune nicht zusagte. Das dies mein letzter Morgen zum Heparin spritzen und Kompressionsstrümpfe anziehen bei ihr war, brauche ich wahrscheinlich nicht zu erwähnen. Ich lehnte es ab, weiterhin jeden Morgen zu ihr zu kommen und ständig so einem Theater ausgesetzt zu sein. Sie warf mir vor, dass ich unfair sei und nie zu ihr halten würde, ich wäre ein „Papa“-Kind.

Sie brauchte einfach nur jemanden, den sie für ihren morgendlichen Frust benutzen konnte und denjenigen sah sie mal wieder in mir.
  

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