Bagoyi – Kapitel 019


Was sollen denn sonst die vielen, vielen Lobbyisten machen, die gezwungen sind, durch mahnende, wohlwollende, überzeugende, direkte und indirekte Beeinflussungsversuche und -erfolge an den Mandatsträgern, ihre ständige Sorge um das Wohlergehen der ganzen Nation zum Ausdruck zu bringen und die bei einer Ausuferung in eine menschliche Problematik vordergründig in die Versenkung verschwinden müssen.

Das kann sich schließlich keine noch so große Partei erlauben; bei den kleineren spielt das keine besondere Rolle – die müssen erst mal lernen, in die Verantwortung genommen zu werden.

Und die großen Parteien sorgen schon dafür, dass die kleinen Parteien auf der Strecke bleiben.

Geschieht ihnen auch recht so, wo kommen wir denn dahin, wenn diese kleinen … Parteichen neue Ideen haben und sie ins Gespräch bringen.

Das schafft Unruhe im Gefüge einer wohlgeordneten großen Partei, führt eventuell zu unbequemen Fragen, deckt Blößen auf und kann zu Wählerverlusten führen.

Jede Partei, die in der Verantwortung steht, die also den Wählerauftrag hat, und wenn es noch so komplizierte machtpolitische – bis hin zu unmenschliche – Rangeleien vorher gab, also jede Partei muss die Gelegenheit haben, bitteschön und bitte sehr langfristigst ihr selbstgewähltes Regierungsprogramm durchzuführen.

Störungen durch Wahlen, Oppositionen; Beeinflussungen durch Nichtverstehen der politischen Aktivitäten bis hin zum Ruf nach Neuwahlen.

Ungenügend nachvollziehbare oder anerkannte Zeitvorgaben zur Behebung der freiwillig übernommenen oder politisch ererbten finanziellen Altlasten – das sind Situationen, die ein Regierungsprogramm gefährden.

Nur, wo bleibt dabei die Menschlichkeit?
  

Jenes Miteinander – statt Gegeneinander; jenes Füreinander – statt Ichbezogenheit.

Fehlanzeige Mangels Masse.

Nichts geht mehr.

Im Parteiprogramm ist fast kein Platz dafür mehr vorhanden, die Religion
bekommt auch nur ein Bein dabei auf die Erde.

Und der Mensch?

Der, um den es geht?

Was sagt der dazu?

Merkt er was?

Sieht er was?

Will er überhaupt was sehen und merken?

Oder ist er mit seinem Schicksal zufrieden?

Reicht ihm die Schale Reis, die er bekommt, um einigen, wenigen Wohlstand und Macht zu verhelfen?

Jetzt verstehe ich auch den Spruch an der Wand.

Brot für die Welt – aber die Wurst bleibt hier.

Denn seit Jahrhunderten hat man uns doch eingebläut, sittsam, bescheiden, anständig und wohlerzogen zu sein.

Alles Attribute, die dafür sorgen sollen, pflegeleichte Untertanen zu … züchten.

Kein Mucks, keine Widerworte, kein Aufmucken – alles nur für die Obrigkeit.

Wem Gott gibt ein Amt … hat der auch Verstand dafür?
  

Nach dem Schreiben dieser Zeilen bin ich gezwungen, alles nochmals durchzulesen.

Ich steige gewissermaßen aus der Aufgabe aus, meine Empfindungen niederzuschreiben.

Ich muss mich erst mal einigermaßen beruhigen.

Mir wird klar, dass das, was ich eben geschrieben habe, etwas ist, was mir schon lange auf der Seele gelegen hat.

Nur der Grund, weswegen ich von AZ zum Schreiben solcher Zeilen animiert werde, der Grund fehlt mit immer noch.

Mein lieber AZ, du treibst ein gewagtes Spiel mit mir.

Ich habe was dagegen, ein Spielball zwischen den Welten zu werden.

Ich weiß zwar nicht, wie meine Chancen stehen, dagegen etwas zu tun – aber, wenn ich merke, dass mir das Wasser bis zum Halse steht, dann muss ich was tun.

So, nach meinem langen Zwischenbericht, ausgelöst durch AZ und seine Äußerungen über meine Aussichten auf der Erde – wieso eigentlich a u f der Erde -, wieder zurück zum Gespräch.

Nein, ich kann es mir nicht vorstellen, wo und wie es mit mir weitergegangen wäre.

Ich bin nach den letzten Worten von AZ wie blockiert.

Das Schicksal eines einzigen Menschen spielt in besonderen Fällen auf der guten, alten Erde – ich sage selbst … a u f der guten, alten Erde, warum nur? – keine große Rolle.

Ist es bei AZ und seinen … Mitlebewesen anders?

Kann es daran liegen, dass erst das bewusste Erleben der unendlichen Weite des Universums die Erkenntnis bringt, Leben gleichwelcher Art – womöglich intelligentes Leben – hat einen höheren Stellenwert als alle anderen wirtschaftlichen, technischen und kulturellen Errungenschaften, die sich Lebewesen ausdenken können.

Scheinbar ein Widerspruch – aber nur scheinbar.
  
Ich glaube inzwischen, dass Lebewesen mit sogenannten kulturellen Ambitionen leicht dazu neigen, ihren Überblick über sich und ihr Umfeld zu verlieren.

Das starre Festhalten an Kultur – aufgebaut als festfundamentierte Errungenschaft einer sogenannten Zivilisationsstufe, die sich wohlweislich von der gar schrecklichen Primaten und Primitiven abheben will, ist dann der Beginn eines Abstieges zu eben jenen abschreckenden Beispielen.

Und diese Degradierung wird durch immer perversere kulturelle Neuerungen unterstützt.

Es erscheint allen Betroffenen wichtiger, sich langatmig und inhaltslos über die unsinnigsten Gedankenmodelle zu unterhalten als notwendige, menschliche Probleme gezielt anzufassen und im Sinne einer lebensbejahenden und zukunftsorientierten Lebensart voranzutreiben.

Der Fettgehalt eines Pflastersteines im Winter, unter Beachtung des regionalen Querverkehrs des morgendlichen Sonnenlichtes bei gleichzeitiger Abnahme des Mondzyklus ist wichtiger, als der Fettgehalt einer Mahlzeit eines normalen Menschen.

Über den ersten Teil kann man sich so herrlich profilieren – jedenfalls ist dieser Blödsinn hoch zwei ein Zeichen von scheinbarer kultureller und dementsprechender weittragender Bedeutung.

Der letztere Teil, die Belange eines Menschen, sind doch zu profan, als dass sich ein einigermaßen gebildeter und kulturell hochstehender Mensch mit solchen Widerwärtigkeiten befassen muss.

Jetzt mache ich für heute Schluss.
  
Ich habe viel zu … erdenken müssen.

Mein Standpunkt zur Menschheit hat einen leichten, aber spürbaren Ruck bekommen.

Wohin, weiß ich noch nicht.

Aber da scheint einiges in mir in Bewegung gekommen zu sein.

Bis morgen.