Bagoyi – Kapitel 012


Piggy kommt aus ihrer Nische gedüst und hält vor meinem Bett.

So im gebührenden Abstand, wie es nicht besser in jedem Hollywoodschinken gezeigt werden kann.

Mit rostiger Stimme und koketten Augenaufschlag fragt sie mich. Was möchtest du denn als erstes wissen?

„Piggy …“, beginne ich zögerlich, „… zuerst möchte ich, dass du deine Stimme änderst.
Statt des Klanges einer rostigen Konservendose bitte etwas Normales und menschliches.

Dann zeige mir mal alles, was hier im Zimmer ist, wie es funktioniert, und ob ich es bedienen kann, das sagst du mir auch.
Doch zuerst führe mich zur Toilette und erkläre mir alle Funktionen, damit ich… du kannst dann draußen warten, wenn ich … Herrgott noch mal, ich muss dringend auf den Pott und du stehst hier dumm herum.
Los, mach schon!“

Piggy klappert mit den Augen, dreht sich um die Achse und gleitet zur Tür, die sich vor ihr öffnet.

Ich stehe auf … überlege kurz, ob ich mir die Bettdecke umlegen soll … atme dann einmal tief durch, um meine selbstgewählte Nacktheit zu überwinden … und folge ihr auf den Gang, der bei meinem Betreten hell erleuchtet.

An der nächsten Tür bleibt sie stehen, dreht sich zu mir herum, mustert mich mit einem schnellen prüfenden Blick und sagt: „Hier ist die Toilette, du findest alles so, wie du es gewohnt bist.
Den Rest wirst du bestimmt alleine schaffen.
Ich warte wieder im Zimmer auf dich.
Verlauf dich nicht.“

Ich bin doch etwas erstaunt wegen der letzten Worte.

Darf ein Roboter so reden?

Aber letztendlich ist es mir egal.

Ich muss auf den Pott … äh … ich muss die Toilette benutzen – und das sofort.

Danach betrete ich wieder das Zimmer und sage sofort zu Piggy: „Es geht los, Mädchen.
Wir können mit dem Nachhilfeunterricht anfangen.
Zuerst will ich die Küche sehen.
Das Essen war Spitze.
Unsere Mama hätte auch nicht besser kochen können.
Was gibt es denn …sag mal, welche Tageszeit haben wir eigentlich?“

Piggy kommt vom Bett weg und gleitet zu einer Konsole, die in Kopfhöhe neben meinem Bett an der Wand befestigt ist und die ich erst jetzt richtig wahrnehme.

Auf der Konsole liegt ein flacher Gegenstand, an dem eine Kette befestigt ist.

Piggy holt mit einer eleganten Bewegung diesen Gegenstand herunter, dreht sich um, kommt auf mich zu und legt diesen Gegenstand mittels der Kette um meinen Hals.

Während ich das Ding noch betrachte, sagte sie schon: Das Vielzweckgerät, ein multifunktionales Hilfsinstrument, wird dir helfen, sich hier zurecht zu finden.
Wenn du den unteren Rand auf etwas richtest, dann erscheint in deiner Schrift und deiner Sprache die Beschreibung.
Wenn du dann diese Taste … – ihr Finger, dezenter Nagellack auf den Fingernagel, der Nagel auch prima geschnitten, „… hier drückst, dann erhältst du weitere Informationen und das ausgesuchte Objekt aktiviert sich gleichzeitig.

Wir empfinden es als besser, wenn du beim Verlassen dieses Raumes dir das Multifunktionsgerät umhängst, du bekommst jederzeit Hilfe, wenn du sie brauchst und wir wissen, wo du dich aufhältst, wenn wir dich erreichen wollen.“

Na, prima!

Ein Roboter gibt schon fast Kommandos und bezieht sich in die Situation – AZ und ich – ein.

Das muss ich aber der Piggy abgewöhnen – Lebewesen bleibt Lebewesen – oder?!

Na warte, meine liebe Miss Piggy!

Zufällig richte ich den angesprochenen unteren Rand auf den Roboter und … plötzlich bekomme ich einen nicht mehr als leicht zu bezeichnenden Schlag auf meine Hände.

Piggy sieht mich mit großen … unschuldigen Augen an und sagt mit lächelndem Gesicht: „Verzeihung!
Es war unaufmerksam von mir.
Ich hätte nach meiner Programmierung wissen müssen, dass du wie ein Wilder, den sie aus dem Urwald gelockt haben, reagierst.
Also noch mal langsam zum Zuhören und Verstehen!
Das Multifunktionsgerät – sage lieber Multi, das kannst du bestimmt besser behalten – also das Multi hält man nicht auf bewegliche Gegenstände.
Nur auf festinstallierte, ja?

Und wenn es dich doch mal piekst, es zu tun, dann halte deine Patscherchen schön von der oberen Fläche weg.
Sonst bekommt der Junge ein´s auf die Fingerchen, dass ihm die Spucke wegbleibt.
Und eine Beschwerde beim Onkel AZ nützt auch nichts – der Onkel schimpft dann mit dir.
Also, kannst du wiederholen, was ich dir gerade gesagt habe?“

Ich denke mich laust der Affe!

Das sind ja komische Sitten hier.

Jeder dämliche Roboter kann hier machen, was er will.

Dabei habe ich doch nur aus Spaß das Multi… oh, je, da habe ich doch glatt ein Eigentor getreten!

Hoffentlich ist das noch in der Testphase erfolgt, sonst gibt es Minuspunkte.

Aber dieser Roboter reizt mich auch!

Gibt an wie eine Horde … oder ist der so programmiert worden?

Bestimmt will man mich testen, wie ich mich verhalte.

Wegen der neuen Situation für mich.

Umgekehrt würde ich es vielleicht auch so machen.

Aber wie soll ich mich jetzt verhalten?

Klein beigeben und Piggys Worte wiederholen?

Oder … wie sagte doch schon unser Opa, wenn er was vom Krieg – Leipzig-Einundleipzig- erzählte?

Attackeeeee!!

„Roboter, ich habe den Sinn dieses Programms verstanden.
Durch mein Verhalten – ich habe bewusst das Multi auf dich gehalten – habe dich dadurch getestet, um zu wissen, wie weit du nach deiner Programmierung gehen musst …“, mir fällt im Moment keine blödere Ausrede ein – aber, eine schlechte Ausrede ist manchmal besser, als keine Ausrede.

Ich halte kurz den Atem an … keine Reaktion vom Roboter.

„Also: Weiter: Woher kommen diese Bilder, dort an den Wänden und das an der Decke?

Es sind drei verschiedene Motive, die mir bestens bekannt sind, weil ich selbst schon mal dort war.
Warte, bevor du mich belehren willst.
Sind diese Bilder an den Wänden so etwas wie Videos, die ihr extra für mich laufen lasst?
So, jetzt bist du dran.“

Gespannt wartete ich auf eine Antwort von Piggy.

Nichts passierte.

Stumm steht sie vor mir. Ihre Augen schauen mich groß an, Ihr Mund – verdammt ich muss mich zusammen reißen und einreden, das ist ein Roboter, eine funktionierende Maschine – ist stumm.

Auf einmal hebt sie vom Boden ab, dreht sich um ihre Achse – ein schöner Rücken kann auch entzücken – und schwebt zu ihrer Nische.

Gleichzeitig öffnet sich die Tür und AZ kommt freudestrahlend herein.

Er – halt mal, ist DER ein ER oder eine SIE oder ein ES?

Warum fällt mir das gerade jetzt ein?