Bagoyi – Kapitel 009


Ich wollte ihr gar nicht an die Wäsche – ehrlich, das können Sie mir glauben!

Eine Tür öffnet sich, höre ich am Geräusch – und jemand kommt näher.

Diesmal sind das andere Schritte als die von der Karbolmaus… wenn es denn eine ist.

Komisch… mir war, als ob ein leicht-dezenter Parfumgeruch sich gerade verflüchtigt…. und die Schritte hören sich so nach Männerschritte an, fest, bestimmt, zielgerichtet.

Und das Ziel bin ich wohl!

Also jetzt geht´s wohl ans Zahlen – und ich habe keinen Zaster in der Tasche.

Ich setzte mich aufrecht in meinem Bett hin, will die Hände vor der Brust verschränken… und spüre mittelprächtig entsetzt, dass ich nichts anhabe.

Meine Hände gleiten über meinen Oberkörper – auch nichts.

Verstohlen taste ich mich zu meinem Unterkörper vor – auch nichts.

Ich reibe meine Füße aneinander – keine Kleidung da.

Nur die Bettdecke.

Ich muss dabei wohl etwas schamrot-violett im Gesicht geworden sein, denn auf einmal klingt ein helles, angenehmes Lachen durch den Raum und eine ebensolche angenehme Stimme sagt: „Ist er nicht süß, wenn er verlegen wird?“

Darauf sagt eine männliche Stimme feixend: „Ja, ja, unser Primitivling!
Hier sieht er so unschuldig aus – wenn der wüsste, was er alles angestellt hat.“

Ich glaube, mich trifft der Schlag!
  

DER hier?

Na dann Gute Nacht, liebes Vaterland!

Wie heißt der Schlager … von nun an geht´s bergab!

Treffend!

Da sitze ich ganz schön in der Sch … Verzeihung, in der Tinte.

Und gerade, als mir das Essen und das leckere Pils vor lauter Wut über meine Hilflosigkeit hochkommen will – nun ja, jede Menge Angst ist auch dabei – da sagt dieser Gemütsmensch doch zu mir: „Ich glaube, dass es an der Zeit ist, dass wir uns in aller Ruhe unterhalten.
Ich habe dir Hilfe versprochen und mein Versprechen habe ich eingehalten.
Du bist in absoluter Sicherheit.

Keine Macht… deiner… Welt kann dich zurückholen.
Du hast also nichts zu befürchten, es wird dir nichts geschehen.
Das einzige, was ich erwarte, ist, dass wir uns ausführlich unterhalten.
Doch später mehr davon.

Jetzt werde ich die erst mal dein Augenlicht – wenn auch mit einer kleinen Einschränkung – zurückgeben.
Du hast schon bemerkt, dass du eine Augenmaske – oder, wie ihr Menschen sagt, eine Brille – auf der Nase trägst.
Sie ist transplantiv in deine Haut integriert worden.
Das hat einen Vorteil.

Du kannst sie nicht verlieren, und gleichzeitig unterstützt sie dich beim Sehen in dieser Ebene der Kommunikation.
Sie ist gewissermaßen eine kleine Weiche… oder eine Umleitung.
Erschrecke nicht, gleich kannst du dich in die Obere Ebene der Kommunikation einklinken und das neue Sehen geht los.
Jetzt!

In meinem Kopf ist für einen kleinen Moment wieder der Blitz da – nur diesmal eher zart, gefühlvoll.

Ich suche die Stelle, wo ich mich einklinken kann und tatsächlich, es klappt.

Zuerst noch etwas undeutlich und etwas wie unterbelichtet, dann immer schärfer und plastischer wird das Bild, das ich vor Augen… also das Bild, das ich sehe.

Ich schaue mich neugierig um.

Vor mir am Fußende steht ein Mensch – mein ehemaliger Kumpel, also der, von dem ich erzählt hatte.

Dahinter ist an der Wand ein großes Fenster, durch das die Sonne ins Zimmer scheint.

Zu sehen ist außer der Sonne noch ein Bergmassiv.

Beim näheren Hinsehen kommt mir der Bergkomplex bekannt vor… der Hochgrat aus dem Allgäu.

Ich freue mich fast über die vertraute Ansicht, und will meinem… dem… äh, also, ich will gerade sagen, das mir die Aussicht gefällt, da blicke ich zufällig zur Wand zur linken… Ostseebad Schönberg-Holm.

Ich glaube, ich spinne!

Mein Blick gleitet von einem Fenster zum anderen.

Beides bewegte Bilder – keine Attrappen.

Ich traue mich fast nicht, nach rechts zu sehen.

Was werde ich da wohl sehen?

Ich muss mich fast zwingen, den Blick nach rechts zu wenden… ich traue meinen funkelnagelneuen Augen kaum… das Ruhrtal bei Bochum – gesehen von der alten Mauer der Burg Blankenstein.

Mein Blick geht von rechts nach links, nach vorn… und ich drehe mich um, um einen Blick hinter mir zu werfen.

Nichts – nur eine Wand.

Erleichtert wende ich mich um, da fällt mein Blick zufällig zur Decke: über mir wölbt sich ein dunkler Himmel mit vielen Sternen darauf.

Ich presse meinen Mund zusammen und balle meine Hände!
Wer will wohl wen hier verar… vergesäßen… ja, ja, ist ja schon gut, ich meine auf den Krampf nehmen.

Dabei blicke ich mein Gegenüber ins Gesicht und platze fast vor Wut, als der sich vor lauter Lachen den Bauch hält.

Als ich aber sein grinsiges Gesicht sehe, da muss ich auch mitlachen.

Und das Lachen macht ihn wieder so sympathisch, wie es dem Abend bei Gisbert in der Kneipe angefangen hatte.

Und in diesem Augenblick öffnet sich die Tür, mir bleibt vor Staunen bald die Spucke weg, und eine Frau… quatsch, eine Dame… nein, ein Engel schwebt fast herein und kommt, nein, auch hier muss ich sagen – schreitet graziös – auf uns zu.

Meine Hände werden leicht kribbelig und feucht, ich glaube fast, dass ich Stielaugen bekomme.

Das Wesen bleibt vor meinem Bett stehen, schaut mit einem dollen Augenaufschlag auf mich herunter und… spricht mit einer Stimme zu mir, die mir aus so einen Weltraumschinken – ich glaube, es war Krieg der Sterne und der Roboter hieß Q2R2 oder so ähnlich – bekannt war: „Ich bin dein persönlicher Roboter uns stehe zu deiner ständigen Verfügung.
Du kannst mich nenne, wie du willst.
Meine Aufgabe ist deine Betreuung.

Alles, was du benötigst, sagst du mir und ich werde immer für dich da sein.
Wenn du mich nicht brauchst, dann ziehe ich mich zurück.
Mein Platz ist dort in der Wandnische.“

Ein Eimer mit kaltem Wasser, plötzlich über den Kopf gegossen, kann keine bessere Wirkung haben.

Mein Blick geht zu DEM da – der sieht mich nur aufmerksam an.

Ich merke auf einmal, dass mir alle Glieder zittern.

Langsam sinke ich in mein Kissen zurück und schließe meine Augen… quatsch, ich klinke mich aus der höheren Ebene der Kommunikation aus.

Ich will nur noch für mich alleine sein.

Weiter nichts!

Ich muss nachdenken!

Mir kommt es so vor, als wenn ich aus einem Traum erwache.

Bewusst vermeide ich bestimmte Gedankengänge zu der eben erlebten Situation.

Erst will ich von vorne anfangen.

Wie war das noch?