Empört und überrascht: Als mein Vater widersprach (25)


Extremer wurden auch ihre Erzählungen über meinen Vater, gerade die letzten Jahre. Mein Vater, der die letzten Jahre aufgrund seiner Erkrankungen phasenweise große Schwierigkeiten beim Laufen hatte und aufgrund seines u.a. chronischen Erschöpfungssyndrom auch sehr schwach wurde, sich immer wieder ausruhen musste, sollte sich in den Türrahmen gestellt und ihr die Meinung gesagt haben. Als sie mir das sehr empört erzählte, konnte ich nur noch lachen.

Sie, eine Frau, die über Jahrzehnte hinweg jeden immer bis aufs Blut provoziert und gereizt hatte … bei meinem Vater, der immer alles erduldet und größtenteils stumm ertrug … ich konnte das nur mit einem Schulterzucken hinnehmen.

Sie merkte schon lange nicht mehr, wie verletzend sie eigentlich zu uns war. Wie rücksichtslos sie mit uns allen umging. Über meinen Vater zog sie jedes Mal, wenn wir im Haushalt helfen wollen, in seiner Anwesenheit in teilweise schäbigster Art und Weise über ihn her! Er saß nur stumm dabei und sagte nichts dazu. Lies das meistens wortlos über sich ergehen, selten äußerte er sich. Er hatte gelernt, dass es besser ist, das alles stumm zu ertragen.
  
Meiner Mutter ist auch niemand gut genug. Weder mein Vater, noch ich, noch sonst wer. Niemand kann es ihr Recht machen. Obwohl sie selbst ja so gut wie nichts selbst macht, hat sie dabei aber sehr hohe Anforderungen an ihre Mitmenschen. Auch heute noch lässt sie mich – und meinen Vater bis zuletzt – immer wieder spüren, dass man ihr nicht gut genug ist. Das ist ein furchtbares Gefühl. Obwohl man sich bemüht, immer noch mehr gibt und investiert, reicht das alles, was man für sie macht, niemals und man erntet weiterhin Vorwürfe.

Vielleicht war meinem Vater also wirklich mal der Kragen geplatzt und er hat sich vor ihr aufgebaut, ihr ein paar warme Worte gesagt. Verstehen würde ich es. Geschadet hat er ihr damit nicht! Er hätte ihr schon viel eher mal etwas dazu sagen sollen. So viele verletzende Worte, die von ihr kamen, diese vielen Manipulationen – da durfte er auch mal mit Worten kontern. Geholfen hatte es übrigens auch nicht – sie machte genauso rücksichtslos weiter.
  

Vertrauliche Gespräche: Als mein Vater den Mut fand, sich zu öffnen (26) »