Das Krankenhaus als Bühne: Wie sie Entlassungen boykottierte (23)


Auffällig war auch, dass die ganzen letzten Jahre jedes mal, wenn sie im Krankenhaus war, ein eigenartiger Verlauf begann: Die eigentliche Erkrankung, weshalb sie also ins Krankenhaus musste, wurde abgelöst durch eine weitere. Es begannen verwirrende Geschichten, was welcher Arzt gesagt hatte – niemand blickte mehr durch. Sie kontrollierte das Geschehen und konnte so wochenlang im Krankenhaus bleiben. Mit einer wirklich beeindruckenden Krankengeschichte, jedesmal. Mir ist jedes mal schleierhaft, wie Ärzte darauf reinfallen konnten. Sie kontrolliert selbst im Krankenhaus noch das Geschehen.

Während einer ihrer Krankenhausaufenthalte – zu der Zeit, als ich mich noch in diese Sache mit einbrachte – bekam ich eines Tages einen Anruf vom Entlassungsmanagement. Man teilte mir mit, dass meine Mutter entlassen werden sollte, sie sich aber weigern würde, zu gehen. Gut, nun war mir ja schon lange klar, dass sie gerne im Krankenhaus ist, aber die Entlassung zu boykottieren war dann schon eine Hausnummer.

Ich versuchte, mit meiner Mutter darüber zu reden. Zu verstehen, was sie dazu bewegte, im Krankenhaus zu bleiben. Sie machte zu dieser Zeit wieder viele Mätzchen. Ihre damalige Zimmernachbarin im Krankenhaus wollte meiner Mutter helfen, weil sie angeblich nicht laufen konnte und verhob sich dabei. Mir war das alles furchtbar unangenehm, aber als es passierte, war ich leider nicht dabei.

Meine Mutter blieb auch extra auf dem Toilettenstuhl, den sie auch da eigentlich nicht benötigte, so lange sitzen, bis ich zu Besuch kam und behauptete dann, man hätte sie einfach darauf sitzen lassen und vergessen. Abdrücke auf ihrer Haut bestätigten die Sitzdauer. Ich schaute mir das Schauspiel eine Zeitlang an und „sorgte“ dann dafür, dass das Bett im Krankenhaus für Menschen frei wird, die wirklich krank sind! Meine Mutter und ich haben nie wieder auch nur ein Wort über diesen Vorfall verloren.

In der Zeit sprach ich auch zum ersten Mal mit ihrem damaligen Hausarzt. Dem Gespräch konnte ich entnehmen, dass meine Mutter bei ihm alles versuchte, durchzuboxen und er sie als „ziemlich schwierig im Umgang“ fand. Meinem Gefühl nach zu urteilen hatte er selbst schon lange die Kontrolle über ihre Krankengeschichte verloren, was ich natürlich absolut nachvollziehen kann. Trotzdem genehmigte er meiner Meinung nach zu viel, meine Mutter wusste nur zu gut, wie sie ihn manipulieren konnte.
  

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