Horten statt Heilen: Medikamente und Hilfsmittel im Überfluss (20)


Vor einigen Jahren gewährte mir mein Vater erstmals Einblick in die Krankenhausberichte meiner Mutter. Sie war zu dieser Zeit wieder einmal Krankenhaus und natürlich wusste sie nichts davon, dass ich nun diese Berichte zu lesen bekam. Und ich merkte, wie er deutlich Zweifel an ihren Schilderungen bekam, seine Meinung über sie hatte sich gewandelt.

Die meisten Untersuchungsberichte, die ich von ihr sah, spiegelten über Jahre hinweg nur ihre selbstgestellten Befunde und Angaben wieder. „Patientin gab an“ usw. war darin zu lesen, da es für die Befunde, die sie bei den Ärzten angab, keine Diagnosen gab. So richtig schienen die Ärzte da mittlerweile auch nicht mehr durchzublicken. Außerdem fehlten etliche Berichte, die sie „entsorgt“ hatte.

Die Diagnosen waren oft nicht einfach. Wenn wirklich mal eine Diagnose gestellt und ihr ein Medikament dafür verschrieben wurde, fand sie immer Gründe, warum sie dieses Medikament nicht vertrug und es nicht nehmen konnte. Dann musste sie wieder zum Arzt usw.
  

Sie hat für alle möglichen Dinge Salben und Tabletten, nie angefangen, noch völlig neu und unbenutzt. Z.B. Antibiotikum, welches sie erst vor einiger Zeit von einem ihrer Ärzte aufgrund der bestimmt 500sten Blasenentzündung verschrieben bekam. Dieses mal sei das nur eine einzige Tablette, die sie nehmen müsste, das würde bei dieser Behandlung reichen. Natürlich hat sie diese nicht nach Vorschrift genommen. Obwohl die Apotheke ihr diese Tablette ganz unbedingt noch am selben Tag vorbeibringen musste, da sie angeblich solche Schmerzen hätte, lag genau diese Tablette noch tagelang unangetastet bei ihr herum. Gut 2 Wochen später fiel mir auf, dass sie sich von dieser Tablette ein kleines Stückchen abgemacht und vermutlich eingenommen hatte.

Kein Wunder also, dass – sofern sie wirklich eine Blasenentzündung hat – diese nicht besser wird. Sie nimmt Medikamente nach Lust und Laune ein.

Ihr „Sammelleidenschaft“ diesbezüglich, wenn man es so nennen kann, ist auch immer ausgeprägter geworden. Nicht nur, dass sie Medikamente, Salben und Hilfsmittel sammelt, nein. Seit einiger Zeit kann man sich ja mit einem anerkannten Pflegegrad dank Übernahme durch die Krankenkasse einmal im Monat Pflegehilfsmittel im Wert von 40 Euro zukommen lassen bzw. sich diese aus der Apotheke bestellen. Monat für Monat brachte die Apotheke eine volle Tasche mit diesen Pflegehilfsmitteln zu ihr. Sie bestellte und bestellte und ich fragte mich nach einigen Monaten ernsthaft, was sie damit eigentlich anfangen wollte! Irgendwann wurden die letzten Apothekentaschen nur noch in eine leere Ecke gestellt und blieben lange Zeit unausgeräumt so stehen – mangels Platz in den Schränken.
  
Durch Zufall sah ich in ihrem Kleiderschrank, dass fast der gesamte Boden des Schranks vollgestellt ist mit Desinfektionsmittel-Flaschen. Nicht die kleinen Flaschen, nein, die 1-Liter-Flaschen. Grob überschlagen sind es wohl so ca. 25 – 30 Flaschen Desinfektionsmittel!

Das ist der pure Wahnsinn. Sie kommt mit einer großen Flasche ewig lange hin und das Desinfektionsmittel ist ja auch nicht unbegrenzt haltbar bzw. wirksam! Was will sie also mit diesem ganzen Zeug?

Da kein Platz mehr für die anderen Hilfsmittel wie Desinfektionstücher in rauen Mengen und weiteres war, fing sie an, diese Sachen in einem Zimmer überall in Regale und auf Schränken zu verteilen.
  

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