Bagoyi – Kapitel 014


Ich schaue zu AZ rüber, der hat aber die Augen geschlossen.

Kann ich verstehen – Katerstimmung.

Ich räuspere mich und er öffnet die Augen und sieht mich etwas … verlegen?… an.

„Piggy bringt dir gleich die Hose …“, sagt AZ ein wenig schwerfällig, „… und inzwischen suchst du die alle weiteren Sachen aus, ja?
Mache es wie bisher.
Ich muss mal eben in mein Zimmer … bis gleich.“

Er steht auf … wie ein Häufchen Elend, – man, dich muss es aber erwischt haben … lass die Sauferei … – und wankt zur Tür hinaus.

Nun freie Fahrt für mich!

Und ich lege los.

Alles was teuer und … gut … ist, hole ich mir.

Und es dauert nicht lange, bis ich komplett bin.

Jetzt erst muss ich leicht grinsen – so bei mir.

Ich bin ja mal gespannt, wie man bei DENEN diese Art von Einkaufen nennt.

Klauen?

Borgen?
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Das Kugelbild zeigt immer hinterher die Originalsachen – also … entweder stimmt das Bild nicht, oder … na, mal sehen, was Piggy mir Schönes bringt.

Und dann öffnet sich die Tür und Piggy kommt herein.

Über einen Arm hängen alle meine Sachen und in der anderen Hand hält sie meine neuen Schuhe.

Sie legt die Sachen auf mein Bett, schüttelt den Kopf … komisch – warum schüttelt der Roboter den Kopf … und sieht mich an – wieder mit ihren großen Augen und dem verlockend-aufreizenden Mund – kommt zu der Sitzgruppe und sagt lächelnd. „Nun kannst du dich bekleiden.
Meine Schaltkreise waren schon ganz durcheinander, dich hier soooo zu sehen.
Endlich herrscht hier wieder Sitte und Anstand.
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Wenn du dich in Schale geschmissen hast – für wen eigentlich – dann such dir was zum Essen aus.
Gleiches Prinzip, wenn du was Besonderes willst – sonst drücke auf den Knopf …“, sie deutet dabei auf einen Knopf des Multis … Herrschaftszeiten, benützt die etwa Parfüm …, und eine Übersicht aller vorhandenen Speisen wird dir angezeigt.
Auswahl dann wie vorhin.

Nun viel Spaß beim Bekleiden und nachher beim Speisen.
Bis bald.“
  
Wieder die gleiche Roboterprozedur und weg ist sie.

Ich aber ziehe endlich meine neuen Sachen an.

Dann suche ich einen Spiegel, um mich zu betrachten.

Fehlanzeige, im ganzen Zimmer ist keiner da.

Das fällt mir erst jetzt auf!

Sogar auf der Toilette war keiner.

„Piggy, ich brauche einen Spiegel!“, brülle ich durch das Zimmer.

Und prompt öffnet sich die Tür und Piggy rauscht herein.

Sie schwebt bis zu mir hin, stemmt die Arme in die Hüfte – woher hat sie wohl diese Geste?

Unser Mutter konnte das immer, wenn sie uns Blagen rief und wir was verbrochen hatten – und Piggy sieht mich mit strengen Blick an und spricht mit einer ebenso strengen Stimme. „Mein lieber Herr Gesangsverein!
Du brüllst so, als wenn du am Spieß steckst.
Denke lieber an AZ.
Der braucht Schonung.
Kein Wunder, bei der Sauferei.
  
Nun zu dir, mein Freund!
Ich vertrete AZ.
Deshalb frage ich dich, ob ich dich richtig verstanden habe.
Du willst einen Spiegel.
Bist du denn so eitel?“

Mir läuft langsam die Galle über – was bildet sich denn dieser … wenn auch hübsch, nett oder sonst wie zu beschreibende Blecheimer ein?

Oder … will man mir keinen Spiegel geben, damit ich… keinen Schock wegen meines Aussehens bekomme?

Ich bin zwischen Baum und Borke!

Was soll ich nur tun?

Machtkampf oder Nachgeben?

Ein Königreich für eine Idee!

Ob AZ … ?
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„Mädchen, pass mal auf – sage ich mit ruhiger Stimme, obwohl es langsam in mir kocht, „… wenn AZ seinen Rausch ausgeschlafen hat, dann rede ich mit ihm darüber.
Und dann machst du, was der gute, alte Onkel AZ sagt.
Has´t mi?
Und jetzt verziehe dich in deine Hütte, damit ich mir mein Essen zusammenstellen kann.
Also – schleich dich!“

Ich bin selbst überrascht, wie mir die Worte fast aus dem Mund fallen.

Also, ehrlich gesagt, ich habe langsam eine Stinkwut über diese … Piggy.

Wird Zeit, dass AZ sich von seiner Colasauftour erholt und hier eintrudelt.

Ich wende mich wieder dem Kugelbild zu und drücke dabei auf den beschriebenen Knopf.

In dem Bild erscheinen Schriftzüge, die auf die verschiedensten Essensarten und -gelegenheiten hinweisen, sowie fast eine Gebrauchsanleitung.

Edelschuppen!

Die Übersicht über alle Menüs ist fantastisch.

Alles, was man sich nur vorstellen kann, wird dargeboten.

Alles?
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Es reizt mich, etwas Ausgefallenes zu suchen, was noch nicht gezeigt wird.

Und ich finde etwas nach langem Suchen.

Nach den verschiedensten Speisen aus den unterschiedlichsten Ländern vermisse ich so etwas wie eine Currywurst mit Pommes rot-weiß.

Sie können ja meinen, ich bin ein Kulturbanause.

O.k. schon möglich … wahrscheinlich sogar!

Aber die Perfektion reizt mich, etwas zu suchen, worauf ich Hunger habe.

Und darauf habe ich einen Mordsappetit.

„Piggy, ich brauche Bochum auf dem Kugelbild, weil ich mir etwas zu Essen holen will …“, rufe ich in den Raum.

Gespannt warte ich auf eine Reaktion – nichts.

Gerade, als ich erneut was rufen will, verändert sich das Kugelbild und ich sehe aus der Vogelperspektive eine Stadt.

Nur welche?

Oder doch Bochum?
  

Danke, meine liebe Piggy, das werde ich dir noch mal heimzahlen.

Ich habe verstanden.

Da ich Bochum wollte, habe ich auch Bochum bekommen.

Nur, die Blumen hole ich mir wieder, denn Bochum kenne ich durch meinen Beruf wie meine Westentasche.

Also … nach kurzem Orientieren finde ich mich in dem Luftbild zurecht und weiß, wohin ich muss und will.

Und nach kurzer Zeit habe ich die Kortumstraße gefunden, fahre fast bis zum Ende Stadtmitte.

Und da steht sie … der Traum meines aktuellen Schmachts.

Und auch hier wieder hiiiinein, Onkel Otto.

Rasch bin ich an der Theke.
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Mir läuft schon das Wasser im Munde zusammen.

Neben dem plastischen Bild höre ich das Stimmengewirr und rieche die gebratene Currywurst.

Und den typischen Duft der Currysoße.

Ich klicke zweimal auf eine bereits fertige Portion Currywurst mit goldgelben knusprigen Pommes und Mayonnaise.

Und mittig steckt ein kleines Plastikgäbelchen.

Ich muss schon schlucken – gleich ist alles für mich da.

Und dann geht die Türe auf und Piggy bringt das Essen.

Aber mit einem Gesichtsausdruck, als wenn jemand – oder ihr – die Petersilie verhagelt worden ist!

Mir ist die Flappe total egal, ich sehe nur mein Essen und sonst weiter nichts.

Piggy setzt das Essen ab – mit einer Bewegung, als wenn sie etwas Unangenehmes bringt, sieht mich mit großen Augen an, macht. Phfft! und dampft ab.
  

Ich kann aber nur noch lachen – alte Gewitterziege – und mache mich über mein Essen her.

Und das schmeckt … fantastisch.

So ohne Zwang zu essen, wenn’s geht, noch mit dem Plastikgäbelchen … egal, was alle von Fast-Food halten, ab und zu muss man mal alles Fünfe gerade sein lassen.

Nach dem Essen bin ich so richtig herrlich satt und rundherum zufrieden.

Natürlich ist meine besondere Situation mir immer gegenwärtig – aber was soll’s.

Ich lebe und das reicht fürs erste Mal.

Eine wohlige Müdigkeit überfällt mich und ich verschleiche mich in mein Bett.

Dabei fällt mir auf, dass das Bett so von der anderen Sicht etwas … kompakter, fremdartiger aussieht.

Aber, was soll’s?

Ich bin müde, satt und will jetzt in die Heia.

Nur das Licht stört noch. „Piggy ich will schlafen, machst du das Licht aus?
Und wecke mich so in zwei bis drei Stunden.
Sag AZ einen Gruß von mir, er soll das Saufen lassen, wenn er nichts vertragen kann.
Ach so, räumst du noch mein Abfall vom Essen weg und machst das Kugelbild weg?
Ich sage auch Danke.“
  
Wohlgelaunt ziehe ich mich um, lege ich mich in mein Bett, schaue zur Decke, sehe die Sterne und fange an zu träumen.

Mein Gott, wie hat das alles nur angefangen?

Und warum muss es ausgerechnet mit treffen?

Trotz meiner Zuversicht habe ich doch eine Reihe von Ängsten.

Wie soll das nur weitergehen?

Was wird mit mir passieren?

Wem nütze ich noch was?

Ich bin doch ein menschliches Wrack – ob es mir passt, oder nicht.

Ich bin auf die Gnade und Barmherzigkeit DER Anderen angewiesen.

Langsam gleite ich in den Traum – das erste Mal wieder fast frei, aber trotzdem …