Bagoyi – Kapitel 008


Geweckt werde ich durch leises Vogelgezwitscher.

Langsam versuchte ich wach zu werden und mich in irgendeiner Art zu orientieren.

Erstaunt bin ich auch über eine weitere Situation.

Ich hatte Hunger – um nicht zu sagen, Kohldampf bis unter beide Arme!

Langsam ziehen Geschmacksfetzen von verschiedenen Mahlzeiten über meine Zunge und beflügeln meine Fantasie.

Der Hunger wird dann immer größer und mein Magen machte sich durch heftiges Knurren bemerkbar.

´Jetzt so eine Pfanne Bratkartoffeln mit Ei und Speck… oder einen Teller deftigen Eintopf mit ´nem leckeren Mettwürstchen… oder wenigstens so einen knusprigen Flattermann… und ein leckeres Pils dazu…´ denke ich so unbekümmert vor mir hin, als ich ziemlich unsanft aus meinen Geschmacksträumen durch eine sanfte, aber vorwurfsvolle Stimme geweckt werde. „Möchtest du das alles haben, oder genügt eine einzelne Speise?“

Erschreckt zucke ich zusammen und versteife mich.

Was soll das denn wieder?

Geht die Schikane wieder los?

Die Ereignisse der letzten Nacht drängen sich mir wieder auf.

Und wieso fragt die Stimme, ob ich alles oder nur ein Teil haben will?

Das müsste doch dann heißen, dass meine gedachten Essenswünsche von eben gehört werden könnten?

Halt, Stopp!

Wie sagte doch neulich einer von den Mackern, ich habe eine Ebene der höheren Kommunikation erreicht?

Was, zum Teufel, ist das denn nur?

Können DIE denn etwa meine Gedanken lesen?

Und wo bin eigentlich hier?

Da fällt mir ein, irgendwer hatte doch gestern Nacht etwas von Hilfe erzählt?!

Wer war das denn bloß?

Mir läuft es heiß und kalt den Rücken herunter – mein Ausbruch ist aufgeflogen!

Und die Blitze im Kopf?

Ich liege da und warte auf den Nächsten.

Ich zucke zusammen, als eine Stimme, weich, angenehm, sagt – fast flötet: „Darf ich jetzt das Essen bringen?
Und wenn du nichts dagegen hast, werde ich dir beim Essen helfen.“

Mit allem hatte ich gerechnet, nur mit dem nicht! Genussvoll ziehe ich den Geruch von herrlich duftendem Essen ein – mir läuft das Wasser im Munde zusammen.

Mühsam versuche ich meine Gedanken zusammenzuhalten.

All meine Standhaftigkeit schwindet langsam dahin… Psychofolter?

Schon jemand hat für ein lumpiges Tellergericht seinen Nächsten verscherbelt…

Schritte kommen näher, der Geruch wird stärker – ich rieche tatsächlich Bratkartoffeln und… Speck.

Mein Bett wird berührt, jemand richtet mich auf, setzt sich neben mir… aber wer ist das?
  

Im Eifer des Gefechtes – so ähnlich muss es wohl bei der Schlacht am kalten Buffet sein, wenn man vor lauter Fressalien völlig wegtritt – habe ich vergessen, meinen Superatomblick einzuschalten.

Sie wissen schon, den, der da so von Oben nach Unten…

Also los… nichts funktioniert!

Dunkelheit und sonst nichts.

Das haut mich doch ganz schön vom Hocker!

Verzweifelt greifen meine Hände zum Kopf, zögern wegen der Vergangenheit und tasten sich zu der Stelle, wo sonst die Augen waren.

Behutsam fühlen meine Fingerspitzen über die Haut am Jochbein, gleiten höher und höher und… stoßen auf einen Fremdkörper im Gesicht.

Vorsichtig berühre ich das Ding, fahre die Konturen entlang und… merke erstaunt, das Ding da im Gesicht fühlt sich wie eine kleine Taucherbrille an.

Als mein Rundgang mit den Fingern beendet ist, sagt doch diese Person mit der… anregenden und schon aufreizenden Stimme: „Magst du deine Bratkartoffeln heiß aus der Pfanne oder lieber etwas abgekühlt?
Wenn du jetzt nicht mit dem Essen anfängst…“, die Stimme bekommt einen leicht vorwurfsvollen Klang, „… dann wird das schöne Essen kalt!“

Mit allem hatte ich gerechnet, nur nicht damit äh … ich wiederhole mich.

Dieser Satz erinnert mich an unser Oma.

Die hatte auch immer so geredet, wenn wir Kinder beim Essen lange Zähne gemacht hatten, weil es nicht geschmeckt hatte.

Na gut, Tante Unbekannt, das ist ein Minuspunkt für dich.

Trotzdem… zur Bestätigung und Bereitschaft öffnete ich meinen Mund und lasse mich von dieser Unbekannten füttern.

Und aufmerksam füttert mich die Unbekannte – so etwas von Talent beim Füttern habe ich noch nicht erlebt!

Kein Krümel geht daneben, mein Mund wird nie überladen, kurzum, First-Class, wie wir das auf Neudeutsch sagen.

Das Essen war so, wie ich es mir erträumt hatte – genau die gleiche Reihenfolge.

Lecker, kann man dazu nur sagen!

Und als Krönung des Ganzen gab’s hinterher noch ein schönes, gekühltes Glas Bier – Junge, das hat aber bei mir gezischt!

Nicht dass sie meinen, ich bin Alkoholiker – nicht die Bohne!

Ich stehe auf dem Standpunkt: Wer gut arbeitet, der soll auch gut essen und trinken.

Und Sie werden mir zustimmen, dass ich doch in der letzten Zeit einiges mitgemacht habe.

Oder?

Nachdem ich mit dem Essen und dem Bier – das muss bestimmt ein Sieben-Minuten-Pils gewesen sein – fertig bin und mir sogar der Mund mit einer weichen Servierte abgetupft worden ist, da kann ich mich nur noch wohlig-aufstöhnend in meine Kissen zurückfallen lassen.

Ich bin satt, zufrieden und werde langsam müde.

Prima!

Prima?

Noch während ich in den Schlaf fallen will, überfällt es mich heiß: Wo bin ich eigentlich hier gelandet?

Prima Verpflegung, nach der Stimme zu urteilen eine nette Bedienung, prima Service … nur jetzt geht´s ans Zahlen!

Na, da sitze ich doch ganz schön in der Patsche.

Verstohlen greife ich dahin, wo noch eben die Schwester oder sonst wer sitzt – ich spüre doch deutlich, das da jemand neben mir auf dem Bett hockt.
  

Meine Hand berührt auch tatsächlich einen ziemlich festen Körper, ich taste weiter, gleite höher, spüre … pralle … Rundungen und … bekomme einen leichten Klaps auf die Finger.

Erschrocken zucke ich zurück, und die Stimme von vorhin, die, die so … sie wissen schon, was ich meine, also die Stimme sagte: „Hoppla, da sieht man wieder mal … die Männer!
Erst todkrank sein, sich pflegen lassen, bemuttert werden, und dann sofort, wenn so ein Typ satt und trocken ist, auf Wanderschaft gehen und Abenteuer erleben wollen.
Nix geht mehr.
Es wird Zeit, dass der Onkel Doktor kommt.
Dem Patient geht es wieder gut.“

Danach steht doch die Perle auf, rauschte davon und lässt mich mit meinem Schicksal allein.