Jouefoh ✔️


Das ganze Brimborium geht mir langsam auf den Geist.
Ich kann mir gut vorstellen, dass viele Journalisten:innen von ihren Zeitungsverlegern rücksichtslos und auf Teufel-komm-raus unter Druck gesetzt werden, wenn saisonale Saure-Gurken-Zeiten die Einkünfte schmälern.

Und wer muss das letztendlich ausbaden?
Na klar, wir Abonnenten, wir Leser.

Obwohl … ich kann zwar das Abo kündigen … aber die menschliche Trägheit … also meine eigene … ich überlege mir das nochmal.
Schlägt man morgens … Ich schlage morgens beim Frühstück die Zeitung auf, überfliegt man die Themen, bekommt man … ich … ab und zu schon Stehhaare.

Ich mache es deswegen neuerdings irgendwie anders.
Zuerst schaue ich mir die Karikaturen an.
Dann stürzte ich mich auf die Glossen.
Und darauf folgen die drei Comics, weil diese für Kinder, Jugendliche und ältere Menschen mit Sinn für kindlichen Spaß an der Freude haben.
Solchermaßen auf das tägliche Leben vorbereitet, geht es darauf ans Eingemachte.
Speziell an die Themen, an denen sich die Geister scheiden.
Aus allen Bereichen.

Korrektur: Nur Dinge, die für mich wie gemacht sind.
Ich habe die Zeitung inzwischen fast durch.
Und es ist der letzte Bericht aus den USA, der mich wach macht.
Irgend eine religiöse Gemeinschaft, die Klage beim obersten Gericht einreichen wird, weil sie von einer große Gefahr für das amerikanische Volk befürchtet, seit dem Berichte über angebliche UFOs veröffentlicht sind.
Denn diese angeblichen UFOs sind erwiesenermaßen nichts anderes als des Teufels Höllenhunde, die auf der Jagd nach den Seelen der Menschen sind.

Für einen Moment lasse ich die Zeitung sinken, überlege kurz und greife zum Smartphone.
Mir ist eingefallen, dass ein guter Bekannter, Oliver Mulider, Volontär bei eben dieser Zeitung gewesen ist oder bereits war.
Denn nichts genaues ist mir nicht bekannt.

Ich habe Glück und Oliver nimmt den Anruf an.
Ich bringe mich kurz in Erinnerung und komme zur Sache.
„Wer ist denn im Allgemeinen für solche … ungewöhnlichen Themen … zuständig?
Der Volontär … ein Redakteur … oder sonst wer?“

Einen kleinen Moment ist es ruhig, dann lacht Oliver laut auf. „Wenn man auf so einem redaktionellen Bereich festgetackert ist, haste zwei Möglichkeiten.
Entweder Du bleibst sitzen und bist quasi weiterhin der letzte Arsch der Redaktion, bisse freiwillig im Archiv landest oder, wenn Du keine Perspektiven hast, in Rente gehst … oder …“
Ich begreife, dass ich jetzt reden soll.
„… nun ja …“, ich überlege fast krampfhaft, wie ich aus dieser Nummer schnellstens rauskomme, „… ich glaube fast, dass ich kündigen würde …“.
„… es kann aber auch noch eine klitzekleine andere Möglichkeiten geben …“

Oliver macht mich neugierig.

„… und die ist?“
  

Ich bin echt an einer Antwort interessiert.
„Im Zeitungsmilieu kennt ja fast Jeder Jeden.
Und unter guten Kollegen und Bekannten kann es schon mal vorkommen … kann es … dass Redakteur A.B. vom Blatt Z. aus welchen Gründen auch immer, einen kleinen Text, einspaltig und höchstens 20-zeilig, bis zur nächsten Ausgabe braucht.
Rein dienstlich natürlich.

Und der solchermaßen interessierte Redakteur, der sich ein paar Mäuse dazuverdienen will, ist dann der Ghostrider X., der im Archiv seiner Zeitung, wenn er und/oder sie es geschickt macht, einen perfekten Überblick vom täglichen Geschehen in der Welt im Allgemeinen und vom Bundesland, dem Regierungsbezirk oder dem Landkreis und der Stadt gegebenenfalls parat hat.
Sage mal … so interessehalber … hast Du mich deshalb angerufen?“

„Zunächst Danke für den kurzen Einblick …“,
Tja … wie sage ich es meinen Verwandten, um nicht groß aufzufallen.
„Hast mich erwischt …“, beginne ich, „… da stand in der heutigen Ausgabe dieser unseren gemeinsamen Zeitung ein kurzer Artikel aus den USA.
Eine religiöse Vereinigung will oder wird Klage bei einem Gericht einreichen, weil …“

Oliver lacht laut auf.
„… kenn ich.
Das ist ein Ghostrider, quasi einer der Sonderklasse.
Der bringt immer … nein, öfters … solche Schoten.
Wie in der letzten Ausgabe.

UFOs sind die Höllenhunde des Teufels.
Punktgenau … und damit erschreckt er die Omas und/oder die Opas.
Und jedenfalls alle beratungsresistenten Leser …“

Oliver hat in den letzten Sätzen etwas schnoddrig geredet.
Ein bisschen stört mich sein herablassender Tonfall dabei.
„… und wie ist deine Meinung dazu? Man muss ja schon einiges auf dem Kasten haben …“, fange ich an.

„… ich habe zufälligerweise vor Wochen beim allmonatlichen Umtrunk der Redakteure in „Rosis Bar“ mitbekommen, wie der unbekannte X. seine Geschäfte abwickelt. Ruck … zuck … und Info für Knete.
Ich war zwar etwas schicker gewesen … aber noch nicht so knülle, dass ich einen Filmriss hatte.
Hm … etwas war komisch.

Eine der Bardamen … Ramona glaube ich … scharwenzelte den ganzen Abend um den X. herum.
Muss wohl ihr Typ gewesen sein.
Küsschen hier und Küsschen da.
Ein Sektchen folgte dem nächsten.
Wahrscheinlich wollte Ramona mit X. zu später Stunde auch noch Brüderschaft trinken.

Das Ritual ist doch so.
Beide haben ein Getränk in der gleichen Hand … ungleich geht ja nicht.
Man stößt vorsichtig die Gläser aneinander.
Darauf führt man den angewinkelten Arm mit dem Glas um den anderen angewinkelten Arm des anderen Menschen, trinke einen Schluck aus dem eigenen Glas, entwickelt sich, hält das eigene Glas etwas abseits … oder stellt es ab … und knutscht kurz.
Im Allgemeinen ist man ab da per Du sein Leben lang …“

Angenehme Erinnerungen aus meinem Leben tröpfeln in mein Bewusstsein.
Oliver hat mich auf eine Idee gebracht.
Ich will mich jetzt nicht ablenken lassen.
Oliver kichert etwas.

„Als 10-jähriger haben wir in einer Freizeitmaßnahme nach guter Indianerart Blutsbrüderschaft veranstaltet.
Nur wir Rotznasen.
War kein Erfolg .
Als Florian mich mit einem Messer ritzen sollte … oder wollte … jedenfalls ich habe meinen Arm schnell von seinem Messer weggezogen, als es weh tat.
Und es tat weiter weh, weil ich mit dem weggezogenen Arm mich noch einmal, nun selber, geritzt hatte …“

Mir fällt etwas ein.
„… was war denn mit Ramona und X.?
Und die Brüderschaft?
Alles paletti gelaufen?“

Oliver ist einen Moment ruhig.
„Da muss etwas vorgefallen… oder passiert sein.
Jedenfalls verpasste X. der Ramona urplötzlich einen Schlag ins Gesicht und Ramona erwiderte umgehend dessen Attacke, in dem sie ihn ein volles Glas Bier, eine Bedienungskraft kam in diesen Moment mit einem Tablett Biergläser vorbei, auf dem drei gerade gezapfte Biere standen, griff und drückte es wuchtig in sein Gesicht.

Großes Geschrei.
Ramonas Geschimpfe konnte ich verstehen.
Das von X. nur teilweise.
Weil dessen verschiedenen Tonhöhen beim heftigen Gekeife unterschiedlich waren.

Es gab ziemliche Aufregung und in dem ganzen Krawall machte sich X. locker vom Hocker, was ich zufällig aus meinem Augenwinkel heraus sah.
Die restlichen Redakteure und ich … wir haben, als sich alles beruhigt hatte, uns auf die Socken gemacht.
Komisch … ich muss mich auf den Weg in mein kuschliges Heiabettchen … ja … ich war etwas müde … irgendwie nach irgendwo verlaufen haben …“

Es bleibt ruhig in der Verbindung.

Und als ich gerade meinerseits das Gespräch beenden will, redet Oliver leise weiter.
„… ich glaube, das war bestimmt … ganz bestimmt eine Zeitungsente … quack … quack … g …“
Die Verbindung ist daraufhin beendet.

Ich lege mein Smartphone zur Seite und überlege, ob das, was Oliver im letzten Satz von sich gegeben hat, wirklich eine sprichwörtliche echte Zeitungsente gewesen ist.
Entweder eine Zeitungsente oder eine Klasse besser, ein Zeitungsstrauss.

Sein eben Gesagtes war möglicherweise … tatsächlich … eine mehr als klassische Zeitungsente gewesen.
Doch ein klitzekleiner Zweifel nagt gemeinerweise an meinem Selbstvertrauen.

Was ist, wenn doch?